Wenn Lernende ein Restaurant führen

Im Restaurant Martinsberg der Berufsfachschule Baden sind insgesamt 16 Personen beschäftigt, neun davon sind Lernende. Das Projekt «Lernenden-Restaurant» ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Die Lernenden in den Berufen Systemgastronomiefachfrau/-mann und Köchin/Koch dürfen früh Verantwortung übernehmen und profitieren von der intensiven Betreuung. Die SV Group wiederum kann mit dem Projekt langfristig mehr Fachkräfte für sich gewinnen und den jungen Menschen eine attraktive und innovative Ausbildung bieten.

Das Lernenden-Restaurant wurde 2019 in enger Zusammenarbeit mit der Berufsfachschule BBB Baden ins Leben gerufen, weil das innovative Ausbildungsprojekt ideal zur Vision der BBB passt: Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wirtschaft und der Berufsbildung. Mit der SV Group hat die BBB eine geeignete Partnerin gefunden, die seither das Restaurant betreibt. Drei Lernende erzählen, wie sie ihre Ausbildung im Lernenden-Team erleben und geben einen Einblick in ihren Alltag im ersten Lernenden-Restaurant der Schweiz.

«Hier schenkt man uns Vertrauen!»
Josef Betschon, 17, zweites Lehrjahr, Koch EFZ

«Vor meiner Bewerbung auf die Lehrstelle wusste ich nicht, dass das ein Lernenden-Betrieb ist. Als ich hier geschnuppert habe, hat man mir das Projekt erklärt. Neben den regulären Kantinenarbeitszeiten, war das jedoch ein weiterer Pluspunkt und ich bin heute sehr glücklich, dass ich die Lehrstelle bekommen habe. Seit dem zweiten Lehrjahr bin ich für zwei Unterstifte verantwortlich. Diese Verantwortung war zuerst eine Herausforderung und ich musste mir zeigen lassen, wie man jemandem etwas erklärt – manchmal auch zwei oder dreimal. Der Küchenchef und mein Oberstift haben mich jedoch gut in diese Aufgabe eingeführt. Mein Oberstift ist wirklich ein Vorbild für mich, auch jetzt noch! Ob man in der Lehre in einem Team mit Lernenden anstatt mit Ausgelernten arbeitet, macht für mich ein grosser Unterschied. Ich arbeite auch gerne mit den Ausgelernten zusammen, aber mit Lernenden ist es einfach so cool, wie unter Freunden. Wir sind gleich alt und haben ähnliche Interessen. Wir profitieren voneinander – und wir erleben, dass andere auch Fehler machen, was die eigenen Fehler relativiert. Wir tragen tatsächlich mehr Verantwortung als andere Lernende und das kann anstrengend sein. Aber so lernt man viel mehr, als wenn man in einer Küche als Lernender im ersten Jahr nur den ganzen Tag putzt. Hier schenkt man uns Vertrauen und das ist cool.»

«Ich bin froh, dass wir anpacken können!»
Jesaja Hug, 15, erstes Lehrjahr, Systemgastronomiefachmann EFZ

«Als Lernender Systemgastronomiefachmann bin ich bin dafür verantwortlich, dass im Free Flow alles reibungslos läuft – also im Bereich der Kasse, dort, wo die Gäste vorbeikommen. Ich schaue, dass alles schön sauber und stets nachgefüllt ist. Ich habe mich nicht in erster Linie deshalb beworben, weil es ein Lernenden-Restaurant ist, sondern weil ich den Beruf spannend fand. Bei einer vorgängigen Koch-Schnupperlehre habe ich gemerkt, dass mich die Arbeit an der Kasse auch interessiert, weshalb ich jetzt Systemgastronomiefachmann lerne. In die Aufgaben eingeführt haben mich mein Oberstift, Henok Würsch, die anderen Lernenden, meine Berufsbildnerin und unser Restaurant Manager, Oliver Woischnik. Es ist schon spannend, dass mein direkter Chef auch ein Lernender ist. Trotzdem sind wir im Team aber ziemlich gleichberechtig und haben es sehr gut untereinander. Natürlich frage ich meinen Oberstift, wenn ich etwas nicht ganz verstanden habe, aber sonst spüre ich keine Unterschiede. Es macht mir Spass, fast nur mit anderen Lernenden zusammenzuarbeiten und es ist sehr spannend. Ich bin froh, dass wir hier im Lernenden-Restaurant anpacken können! Mit verschiedenen Leuten zu arbeiten.»

«Ich verstehe mich als sein Götti»
Henok Würsch, 18, zweites Lehrjahr, Systemgastronomiefachmann EFZ

Ich arbeite sehr gerne mit den anderen Lernenden zusammen. Wir sind auf der gleichen Ebene und haben ähnliche Hobbys – und vor allem sind wir ein Team und helfen uns gegenseitig. Seit dem zweiten Lehrjahr bin ich, böse gesagt, Jesajas Chef. Aber ich verstehe mich eher als sein Götti. Die Aufgabe, ihm alles zu zeigen und beizubringen, macht mir Freude! Ich arbeite gerne mit Jugendlichen zusammen, ich verstehe die Schwierigkeiten, die sie haben können. Ich kontrolliere aber nicht nur den Erstlehrjahrstift und beantworte seine Fragen, sondern kümmere ich mich auch um Marketingaufgaben und schaue, dass im Free Flow alles klappt. Weiter rechne ich die Kassen ab und kümmere mich um das tägliche Business: Ich mache Sandwiches, backe Gebäck auf, stelle Menü-Stationen bereit. Und am Dienstag bin ich jeweils in der Küche. Meine Berufsbildnerin und meine ehemaligen Oberstifte haben mir alles sehr gut gezeigt. Wir haben hier viel mehr Verantwortung als andere Lernende. Aber mir tut es gut, wenn ich manchmal nicht nur gefordert, sondern sogar etwas überfordert werde. Für mich passt das besser. Ich lerne hier, mit Verantwortung umzugehen.»

«Es macht Spass, so zu arbeiten»
Oliver Woischnik, Restaurantmanager

Für Oliver Woischnik, Restaurant Manager im Lernenden-Restaurant Martinsberg, hat sich das Projekt bewährt: «Es macht Spass, so zu arbeiten und wir sind so auch näher an unseren Gästen hier an der Berufsfachschule, die ja auch Lernende sind. Unsere Lernenden wissen, was bei den Jungen ankommt.  Sie kennen zum Beispiel die aktuellen Trendgetränke und können uns ältere Semester beraten. Generell steht das Fördern der Eigenverantwortung ganz oben; ab dem 2. Lehrjahr geben die Lernenden bereits Arbeiten an ihre Unterstifte weiter und leiten diese an. Auch deshalb müssen sie gute Schüler sein. Denn was die betriebliche Ausbildung betrifft, bewegen wir uns stets etwas über dem Lehrplan. So ist auch eine gewisse persönliche Reife wichtig», sagt Woischnik. «Dafür bieten wir ihnen auch mehr. Wir haben hier einen Betriebscoach als Stabsstelle, die direkt der HR Berufsbildung unterstellt ist. Dieser Coach kümmert sich um spezielle Anliegen der Lernenden, hilft bei Bedarf auch, schulische Lücken aufzuarbeiten, sodass sich die Berufsbildenden vor Ort voll auf die praktische Ausbildung konzentrieren können. Dieses Jahr wollen wir noch einmal ausbauen, so dass zuletzt jeweils neun Lernende hier beschäftigt sind.»

 

Quelle: Die Originalzitate der Lernenden sind bereits im Magazin "FOLIO" der Berufsbildung Schweiz (Ausgabe 6/2021) erschienen.
Fotos der Lernenden: Jürg Hofer